30 August 2015

Was ich fühle ist keine Angst - Angst fühlt sich anders an


(1)
Ich öffne die großen AUgen einer leeren RTF-Datei und entferne etwas Grünes zwischen der D- und E-Taste, ein totes Insekt, das ich mit einem weichen Schrecken aus dem Fenster werfe. Es ist kurz vor Mitternacht und ich eröffne mit einem feierlichen Lied den Raum, in dem ich mich um mich drehen kann, um mich selbst, nur um mich selbst, ich bin eine Spinne, das Kreuz der Langeweile auf dem Buckel und webe Einsamkeit um mich. Fröhliche Musik soll das über mir kauernde Omen entthronen - doch sie schafft es nur, mich daran zu erinnern, dass es egal ist, wer da oben sitzt, denn ich komme so und so vom Weg ab.
Obwohl mir die Rolling Stones nichts zu sagen haben, lass ich sie durch mein Zimmer klappern. Die Schnute des jungen Mick ist ihr einziger Pluspunkt. - Lust auf Cannabis deutet mit mahnendem Finger auf einen Überdruss am Leben, der - statt zu sagen "Man zeigt nicht mit nacktem Finger auf angezogene Depressionen!" - einfach nur glotzt und überlegt, sich auszuziehen. Wenn du kiffst, verwandelst du dich bei entsprechender Musik in den Onkel, der mit den Schultern zuckt und dich anlächelt, um dir zu sagen, dass es egal ist, wo du dir deine Zeit vertreibst. Ich vertreibe meine Zeit. Ich bin nicht irgendjemandes Onkel. Ich will "das Leben" mit irgendjemand zusammen gestalten. Das Leben gestalten. Lou Reed hat grad gelacht. Schade, dass ich jetzt vielleicht nicht meine Lust, nichts zu formulieren, formulieren kann. Sie fühlt sich so gemütlich an, als läge ich irgendwo am Ufer meines Lebens, meine Nutzlosigkeit und Freiheit durchkauend und mich fragend, was das alles soll, aber auf meinem Rücken liegt eine schwere Matzratze, auf der ich vollgefressen mit Zufriedenheit herumliege. "Nicht die Matraze ist schwer, sondern das, was drauf liegt!", höre ich meinen unpoetischen neuen Mitbewohner grinsen. Ich sperre mich also in meinem Zimmer ein und nehme allein am Leben teil, froh dass ich mich nicht aus Angst oder Langeweile mit allerlei Studien und Fakten und Axiomen belasten muss. Mit Wahrheit belasten. Leute die ihre Haltung mit Ausrufezeichen meinen objektivieren zu können, verdrießen mich schnell. Oder wie kann man keinen Hang zum Schwanken, zum Fragezeichen, zum Umkippen haben? Unsicherheit ist eine riesige, weiche Wiese voll mit dunkelroten, orangenen, dunkelgelben Blumen, beigem Gras und blühenden, schwarzen Bäumen. Eure Unsicherheit ist wichtiger als der Lehrer, wichtiger als Noten, wichtiger als Schuh-Zubinden, wichtiger als Träume, wichtiger als die Zukunft, wichtiger als Euer Wissen, wichtiger als eine rote Ampel, wichtiger als die Sonne, fast so wichtig wie eine gute Verdauung. Wie kann man leben mit dem Tod im Nacken? Indem man sich klar macht, dass Hitler ein Happening-Künstler war, dessen Werk mit seiner ersten Rede beginnt und das abgeschossen ist, wenn er sich in seinem Bunker abschließt. Was ist noch wichtig? Ich darf nicht vergessen die Hühner in ein paar Stunden rauszubringen. Ich wüsste nicht, was sinnvoller wäre als skeptisch, mit instabilen Begriffen auf dem Nebengleis herumzuträumen und sich um Hühner zu kümmern? Wieviel Schmach und Substanzverlust erleidet man früher oder später für jede Wahrheit! Zusammengedrängt im Wahn einer wahren Welt, auf den Leim gegangen einer unpoetischen Ideologie, büßt das Leben immer mehr an Möglichkeiten ein - und an Schönheit sowieso. Wer sich an nichts mehr krallt, versetzt das Leben in einen entspannenden Siesta-Zustand, den man so lang hinstrecken kann wie man möchte, mit dem man vielleicht sogar die letzte Ära des Lebens überhaupt einzuleiten bereit/in der Lage ist. Mein Ehrgeiz beschränkt sich darauf, mit meiner Ehrgeizlosigkeit zu prahlen, hier in dieser Textdatei im Abfall-Zentrum des Universums. Ich empfange hier keine Signale, hier sind alle Schotten dicht. Ich weiß, ich sollte nicht hier sein, aber werde auch nicht dafür bestraft, dass ich hier bin. Es gibt nichts zu tun... Warum gibt es nichts zu tun? Ein Neugieriger, der aussieht, als würde er zu bestimmten Liedern von Hildegard Knef mit den Fußzehen schnippen können, denkt sich, dass man mal herausfinden müsste, ob Leute, die auf ein heftiges High aus sind, mit einer Tabakpfeife viel Gras sparen können. Auch wenn die Wirkung vielleicht nicht ganz so lang anhält, wäre die Menge an Gras, die du nachlegst, um mit dem mitzuhalten, der mit dir auf dem Sofa sitzt und eine Bong raucht, vielleicht deutlich geringer ist als bei dem Typen, der eben schon durch den Satz gehuscht ist... der da, der die Menge in einem Bong-Kopf verbrennt. Der Satz ist seltsam konstruiert, ich hoffe dass man das unter "Stil" abhakt. Dazu eine Grundsatzfrage: muss Stil gewollt sein oder ungewollt? Muss Stil vielleicht nur ungewollt scheinen? Als könne man einen Gedanken nur auf die Bühne lassen, wenn er ordentlich hergerichtet ist. Ich schaue ins Publikum und kann nicht glauben, dass niemand von ihnen auf mein Stolpern und Zaudern gewartet hat. Vielleicht werde ich mit allem scheitern. Ich darf mir nichts auf das künstliche Pathos einbilden, auf dem meine Unsicherheit eine gute Figur macht. Jeder kann da sein, wo ich jetzt bin. Mehr habe ich nicht zu sagen? - Ich vermute dass man nie eine Panik-Attacke unter Gras bekommt, wenn man sie nicht während der ersten Versuche mit Gras bekommen hat. Die ersten Graserfahrungen strukturieren alle übrigen. Entweder die Eindrücke der ersten, angenehmen Rauscherfahrungen machen alle übrigen ebenso angenehm, oder schlechte erste Eindrücke ermöglichen es, dass sich vermehrt oder ausschließlich schlechte Erfahrungen anschließen. Je mehr gute Erfahrungen man erinnert und je besser sie sind, desto mehr und besseren Stoff hat man, künftige Erfahrungen zu "konstruieren". Man bastelt eine bewährte Form, in die man den Rausch gießt und beherrscht. Vielleicht kann ein destruktiver Charakter vertraute Rausch-Ideale dekonstruieren, schon allein weil er wirklich Lust dazu hat. Man kann nur in einem Bereich vorankommen, wenn man echte Lust dazu hat. Je unterschiedlicher die Dinge, mit denen sich Menschen lustvoll befassen, desto größer die Chance, dass sogar Leute, die diese Lust nicht kennen, von dem, wozu die Lust geführt hat, profitieren. Also.. ich mein, vielleicht habt ihr was davon, dass ich mich hier im Kreis drehe. Vielleicht haben meine Bewegungen eine ähnliche Wirkung wie das Orgelsolo in "Light My Fire". Es ist wirklich so, dass Worte und Gedanken und Gefühle im Grasrausch wie beschwingte, sich schief schwingende Musik sind, Musik die nie zu unfreundlich aufdringlich wird, die nichts von dir verlangt, die dich nie mit sogenannten Wahrheiten belästigt, sondern dich einfach dafür feiert, dass du unentschlossen und düster in der Ecke einer Party sitzt und grinst.
In deinem Leben gibt es nichts zu tun - du gestaltest es, indem du dir die Zeit vertreibst, indem du dich mit Wahrheiten belastest, indem du in einer Sackgasse verschwindest. Ich verschwinde in einer Sackgasse.

(2)
Die Grammtik-Regeln des Lebens missachten und den Zweifel in den Rang der Wahrheit erheben bedeutet: Generalstreik, bedeutet Schwanken mit Ausrufezeichen, heißt früher oder später helfen das Gehirn umzustrukturieren, der harten Manie der Außenwelt eine weiche Panik von innen entgegenzuhalten, die Zähne zusammenzubeißen, also einfach darauf vertrauen, dass es noch ein bisschen so weitergeht. Die Angst vor dem Tod ist nicht größer als die Angst, dass im Edeka keine Pizza im Angebot ist.

(3)
Ich strebe an, mich überall so durchzumogeln wie in meinen Texten. Ich möchte meiner Zersetzungs-Lust nicht verschreiben, sich bloß an meiner Sprache auszuleben  Sie soll sich richtig schön in meinem Alltag breit machen, ich habe keine Angst, darüber die Kontrolle zu verlieren, es sind nur bestimmte Verhärtungen in meinem Bewusstsein, die sich mit dieser Angst schützen wollen. Angst hilft, sich zu stabilisieren in einer Zone Erträglichkeit, je stabiler, desto größer die Gefahr, hängenzubleiben, süchtig zu werden nach Ordnung und Mittelmaß und darin abzustumpfen. Nur wenn man sich ausreichend überfordert, stumpft man nicht ab. Ich habe alle Möglichkeiten in meinem kleinen Zimmer ausgenutzt. Eigentlich hält mich nur der Gedanke auf, dass ich jetzt Angst haben sollte - richtige Angst fühlt sich anders an. Je öffter du den letzten Satz liest, desto mehr nimmt der Schlüssel zu einem Lebenswandel Gestalt an.

(4)
Es macht mir Spaß, mir alles mögliche auszureden; die Sense meiner Entspannung stößt immer wieder gegen mein steinernes Bedürfnis, dass mir jemand etwas einredet und sprüht Funken, die wie ein Feuerwerk den Moment des Absprungs als Erlösung verklären. Je tiefer man sich in einem destruktiven Stil verliert, desto schneller wird man das fette Ego los, das immer nur faul im Weg steht und keinen der Fäden in die Hand nimmt, die überall herumliegen, aus Angst vor einem konkreten Leben. Alles Konkrete ist eine Sackgasse. Selbst eine konkrete Verweigerung, eine konkrete Skepsis verschafft dem Leben eine Struktur, der vielleicht irgendwann nichts mehr entgegenzusetzen ist. Wenn man sich nicht vollkommen auflösen will, könnte man versuchen, irgendetwas zu tun: und wenn es die Zerstörung einer Hoffnung ist. Ich werde mich jeden Tag daran erinnern müssen. Meditation unter Disteln oder Diesteln.

(5)
Sobald du keinem Ziel mehr entgegengehst und bald deine Alltagsstruktur in die Brüche geht, gibt es die Chance, eine allesentscheidende Veränderung in dein Leben hängen, wie die Zunge, die man allem entgegenhält, allen Menschen, Tieren, Pflanzen, Gegenständen, allen Städten und Gebirgen, allen Planeten, allen Realitäten, allen Worten, allen Prinzipien, allen Naturgesetzen, allen Stilen, allen Versuchen, ein gutes oder sinnvolles oder schönes oder interessantes oder leeres oder unsinniges oder lustiges Leben zu gestalten. Das alles führt zu nichts, aber ich welke auch nicht, im Gegenteil, ich erblühe. Der Himmel nimmt mein herzliches Leuchten an, an welches mich meine Fröhlichkeit nagelt. Eine sanfte, frische Kreuzigung aus Knetmasse, die aus sanfter, knietschbunter Musik besteht. Die Euphorie beim Musikhören unter Gras entsteht aus dem Gefühl, etwas Vertrautes zum ersten Mal zu erfahren. Das Gras knetet die Überdruss-Gefühle weg, es knetet die Struktur weg, aus der heraus man bisher die Welt und das eigene Leben bewertet hat, so überwindet man leichter die Werte, die uns an eine bestimmte Außenwelt ketten, die uns herabziehen auf den Mittagstisch eines gefräßigen Beamten. Denn die beste Art der Flucht ist, sich nicht mehr festzustellen und damit irgendwann nicht mehr feststellbar zu sein. Von niemandem mehr entschlüsselbar, rollt der hermetische Charakter dem Sonnenaufgang entgegen, innerlich wie noch nie zu vor von Musik erweitert und erhoben. Die Beschränkung auf den gewohnten Stil engt die Möglichkeiten ein, sich zu freuen. ----> Ihr habt einen neuen, gewählten Chef in diesem Laden. Welche Rolle soll ich sonst übernehmen? Gerade die Selbsterkenntnis: das Ich ist das Prinzip, was gerade die Kontrolle über den Körper hat. Eine Rolle hat sich nicht für die Macht entschieden, sie übernimmt die Kontrolle weil sie gerade die einzig verfügbare Rolle ist, die reif genug für einen Charakter, für ein historisches Schicksal ist. Sobald ein potentieller Charakter spürt, dass er die Kontrolle über den Körper übernehmen kann, ist er entweder paralysiert oder in der Lage, zu übernehmen. Das Gefühl, nicht zu wissen was man tun soll, schenkt eine plötzliche Möglichkeit, die Rolle zu wechseln. Die Verzweiflung an sich selbst ist eine Krise, die wie ein Gewitter in den Acker stürzt und ihn fruchtbar macht. Sobald du keinem Ziel mehr entgegengehst und bald deine Alltagsstruktur in die Brüche geht, gibt es die Chance, eine allesentscheidende Veränderung in dein Leben hängen, wie die Zunge, die man allem entgegenhält, allen Menschen, Tieren, Pflanzen, Gegenständen, allen Städten und Gebirgen, allen Planeten, allen Realitäten, allen Worten, allen Prinzipien, allen Naturgesetzen, allen Stilen, allen Versuchen, ein gutes oder sinnvolles oder schönes oder interessantes oder leeres oder unsinniges oder lustiges Leben zu gestalten. Das alles führt zu nichts, aber ich welke auch nicht, im Gegenteil, ich erblühe. Der Himmel nimmt mein herzliches Leuchten an, an welches mich meine Fröhlichkeit nagelt. Eine sanfte, frische Kreuzigung aus Knetmasse.
verliere den draht
verliere den draht /// ... verlier den draht
/&= ... ge.,...gne.....,,... ,
deine verwirrung ist dein bester kumpel
richtig angewandt ein drogenersatz
und familienersatz sowieso
ein antidepressivum und wachmacher
und schreiben können sowieso

(6)
Am Stil eines Autoren erkennt man manchmal noch seine Haltung zur Welt. Am Ende ist alle Kunst bloß Unterhaltung. Eine Unterhaltung im Nichts zwischen Küchenspüle und Weltuntergang.
Ein Kredo hänge ich über die nächsten Wochen: "Ich weiß nicht warum ich schreibe und schreibe trotzdem" Nur während dieses Mechanismus kann sich etwas in den Fangnetzen meines Schreibens verfangen. Die Schreibmaschine muss laufen, bevor es etwas zu schreiben gibt. Man muss Schriftsteller sein, bevor man entscheidet, über etwas bestimmtes zu schreiben. Entweder du wächst als Schriftsteller organisch in eine Sache hinein, oder du benutzt bloß die Sprache und das Pathos des Schriftstellers, womit du immer nur so tun kannst, als wärst du ein Schriftsteller, ohne es jemals zu sein. Ich darf meine Sprache nicht beherrschen, ihr nicht befehlen, in eine Sache einzudringen oder eine Sache zu umklammern. Als Schriftsteller will ich mich meiner Sprache und ganz ihren Möglichkeiten unterwerfen und zeigen, wie die Welt aussieht, wenn man sie aus meiner Perspektive als Schriftsteller betrachtet. Am Stil eines Autoren erkennt man manchmal noch seine Haltung zur Welt. Am Ende ist alle Kunst bloß Unterhaltung. Eine Unterhaltung im Nichts zwischen Küchenspüle und Weltuntergang.

(7)
Ich habe gerade den Drang, "Wo bin ich hier nur gelandet?" aufzuschreiben, unterdrückt und fühlte mich damit plötzlich ein bisschen reifer, seit zwei Minuten fühle ich mich plötzlich zu unrecht reifer und möchte mich für dieses schnöde Happy End bei wem auch immer bedanken.

(8)
Cannabis hilft, den Surrealismus als das revolutionäre Werkzeug zu erfahren, das er nach André Breton sein soll. - Man kann als Künstler und als Kunstbetrachter die Welt surrealistisch betrachten - oder man kann bloß den Kontrast zwischen Kunst und Welt genießen,  vielleicht wenigstens mit der Unfähigkeit, sich auf eine Seite zu schlagen. Ein Surrealist beschreibt bloß die Welt aus den Augen eines Surrealisten, das ist die Gefahr aller Ismen, selbst die des Skeptizismus. Man kann aber Werkzeuge des Surrealismus benutzen, um sich zu erweitern, um inne zu halten oder um eine Idee, ein Prinzip, eine Gewohnheit umzustürzen. Das, was einen Schriftsteller auszeichnet, kann man auf wenigen Seiten zusammenfassen. Alles, was er ringsherum zusammengeschrieben hat, ist Dekor, Kommentar oder reine Masturbation. Der Beruf des Schriftstellers ist es, etwas zu sagen. Es steht ihm frei, die Gattung und den Stil seiner Texte zu wählen und damit sich und das Zusagende aufzuplustern oder zurechtzustutzen. Er wird nie eine Form finden, die dem Zusagenden entspricht, eher passt sich das Zusagende an sein Sprechen an, zumindest das, was sagbar ist, ohne seinen Kern zu zerstören. Alles dreht sich um ein paar Kerne... mal so, mal so...

(9)
Ein vergilbter Brief, dessen prophetisches Knittergesicht ans Mikrophon will und ich finde es ok, jeder Kanal soll genutzt werden: "Mit Marihuana kann man dem alles beherrschenden Skeptizismus seine anti-depressiven Kräfte entlocken. Es gibt nämlich absolut keinen Grund, sich um konkrete Gefühle zu bemühen und daran festhalten. Je mehr du aus der Form gerätst, desto glücklicher kannst du werden. Verlasse deine Rolle des von Paranoia und Sackgasse geknickten Niemands. Tu einfach etwas, das kein Depressiver tun würe, es muss etwas Großes sein, dass dich mitzieht. Bau dir aus einer Hoffnung einen Heißluftballon und fliege davon, aber langsam, langsamst, und gründlich, nicht dass es bloß eine olle Metapher bleibt. - ICH BIN DAS PRINZIP, DAS EUCH JEDEN MORGEN AUFZIEHT. Ich habe gerade viel Zeit, und Lust sowieso. Aber wenn du nicht kommst, kann natürlich nichts passieren. Akkes Lievve, Demien."

(10)
Im falschen Glücksbrunnen der Musik
verwundet von weißen Sonnenstichen
und die Wüste des Daneben einatmen
und größer und dunkler und tiefer werden bedeutet,
der Müdigkeit die Stirn bieten,
bis eine von beiden verschwindet.

Die Freiheit im Haus der Geschichte
ist nur die Reinigungsfachkraft
im Monat verdient sie knapp den Mindestlohn
und darf nichtmal ein Kopftuch tragen, aha.
und daheim muss sie auch noch täglich wischen
die Lösung ist zu einfach um möglich zu sein

Ich möchte keine neuen Blumen
ich möchte keine neuen Versuche
der Tag rollt vorbei und ich gebe mein ok
solang ich Einfluss auf meine Neurochemie habe
und du kommst vorbei und du strahlst und hüpfst aufgeregt herum
und deshalb war ich die letzten drei Tage durch wach


(11)
Ich will mich da einschleichen, wo ich nicht hin darf: in das Haus eines ängstlichen Jungen, in das Büro meines Vermieters, in den hinteren Kassenbereich einer Apotheke und am liebsten sogar in die Weltöffentlichkeit.
Als kleines Kind will man am lautesten schreien, als Jugendlicher will man Kontrolle über den Durchsage-Apparat im Sekretariat, um obszöne Sachen reinzukichern, nach der Schule will man irgendeine Firma aufbauen oder in den Ruin treiben und spielt immer noch Telefonstreiche, und plötzlich für sich gewonnen: Graffiti. Botschaften hinterlassen, Gedanken erzwingen. Je öffter ein gutes Graffiti gesehen wird, desto besser kann es sich seine Botschaft im Unterbewusstsein  gemütlich machen. Und wenn man kurz vor den 30 steht, unerwartet unreif, klapperig und knickerig, kann man sich nur noch ins kalte Wasser der Öffentlichkeit stürzen. Ich will spüren, dass ihr mich zerreißen wollt. Ich will euch einfach bei allem stören, denn alles was ihr tut ist einen fechten Dreck wert. Ihr alle überschätzt eure Fähigkeiten. Wie ich seid ihr Getriebene von zum Himmel schreienden Banalitäten, ihr könnt das besser ertragen und das ist der einzige, aber alles-biegende Unterschied. Wollte damit nur sagen, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sich zwischen uns nie mehr ergeben wird als das ein oder andere zufällige Gespräch in der Schlange vor der Kasse, getragen von einer extrem einschläfernden Freundlichkeit. Die Distanz zwischen uns muss wachsen, jedes Jahr ein deutliches Stück. Indem ich die Fresse aufreiße und euren Nachtschlaf störe, vergewissern wir uns gegenseitig unserer selbst. "Und das ist doch, worum es mir geht!", spreche ich routiniert verzweifelt in die Kamera 3 und verabschiede mich jetzt mal wirklich in den musikalischen Teil des Abends.

(12)
Geh immer weiter und glaube nicht an morgen.
Alles was wichtig ist geschieht in diesem Augenblick.
Geh immer weiter und glaube nicht an morgen.
Der Himmel ist dunkel, die Erde verbrannt und der Wind ist kalt und nass...
Geh immer weiter und glaube nicht an morgen.
Denn morgen bist du nicht mehr das was du heutnoch zum letzten Mal ahnen kannst.
Geh immer weiter und glaube nicht an morgen.
Geh immer weiter und glaube nicht an morgen.
Geh immer weiter und es hat sich bisher noch nichts für dich gelöst, sei froh.

(13)
Neun Liebeslieder.

- Ein romantisches Abendessen in düsterem Sumpfgebiet am Stadtrand, ich hab Lust die ganze Gegend zusammenzuschreien mit meiner Trampeltier-Fröhlichkeit. Ich hänge dir solang auf den Schultern, bis du dich kaputtlachst und die Lust an deinem Job verlierst. Wenn du wüsstest, wie ich mich fühle, würdest du einen Herzinfarkt bekommen.

- Ein plötzlicher Nackenkuss stubst das Schicksal an und es kommt ins Rollen und reißt alles mit sich. Komm, wir bleiben hier und schauen, was der Abend so bringt. Meine Karten kann ich dir alle auf den Tisch legen, es sind nicht viele, du hast bestimmt mehr.

- Ich will einfach nur überall meine Liebe zu dir hintun, ins Brot und in die Bäume und in den Fenstersims, auf Krümel des Mondes in der Atemluft, auf die Stimme einer dicken Gospelqueen mit Shimaske, damit man nicht sieht ob sie schwarz oder weiß ist, "Oder grün....", schreibt mein Siebenjähriger in mir und fühlt sich süß. Die Lehrerin kommt vorbei und sagt, was sie mir alles für meine Zukunft wünscht und rennt dann halb im Heulkrampf, halb im Rausch der Routine aus dem Klassenzimmer und die ganze Klasse schaut mich an und ich weiß wirklich nicht, was passiert ist. Die Lehrerin kommt mit zwei großen, schweren Hausmeistern wieder und bitten sie, mich mitzunehmen. Ich weiß wirklich nicht, was ich gemacht habe und überlasse mich grinsend wie eine dunkelgelbe Kornblume den bürokratischen Bienen und Hummeln und Läusen und Pestiziden.

- Ihr könnt mit mir machen was ihr wollt, ich kann nicht aufhören zu sein was ich bin. Meine Unsicherheit zu wissen, ob das stimmt, ist der einzige Grund, weshalb ich noch das Haus verlasse. Ich würde mich am liebsten in einem Bunker einbarikadieren und die ausrufezeichnen Wellen meiner Liebe und meiner Abscheu in einen Piratensender stecken und über die Stadt aussenden. Wer sowas nicht können will, leidet an einer Bescheidenheit, die zwangsläufig in die Depression führt, zumindest wenn man so ein Liebeskummer-Glühwürmchen ist wie ich.

- Brachialer Rabatz der Sabotage nachts in der Großen Maschine, und ein sanftes Blumenbuket am nächsten Morgen. Die unter Durchfall leidende Liebestaube kreist wie ein Omen um den Kirchturm meiner Mittagsmüdigkeit, ich liege in einer violetten Hängehatte, indem ich alle Briefe zerreiße, die mir das Gericht schickt und mich nach hinten fallen lasse in die von den meisten Medien missverstandene Bedenklichkeit meines Scheiterns in einem ewigen Spätnachmittag.

- Ich hänge mit einem Lineal auf jedem Satz und gebe mir Mühe, die Schotten dicht zu halten, aber nur, damit ich etwas zu schreiben habe. Dort wo ich hin will, kann ich unmöglich einen Stift und ein Notizbuch mitnehmen, dort muss ich mich distanzlos, also schutzlos den Naturgewalten stellen.

- Fast jeden Abend kreise ich traurig um den Gedanke, was alles aus meinem Leben hätte werden können, wenn ich seit dem Kindergarten mit Fetsch zusammenwäre. Unsere ganz eigene Art von Zusammensein als das Zentrum des Lebens erklärt, mit einer schönen Aussicht auf den Stadtpark, über den sich ein Gewitter zusammenbraut. Ich freue mich den ganzen Tag darauf, mit dir auf dem Sofa zu liegen und Musik zu hören. Ich behaupte, dass alle Menschen eigentlich nur einen gemütlichen Abend mit ihrem Liebsten haben wollen, indem ich diesen Satz schreibe. Wird es schon langweilig? Hab ich mich vielleicht in ein unerreichbares Nirgendwo geschrieben? Das elektrische Schmusekissen meiner Besessenheit. Ach was soll ich sagen, komm einfach mal auf einen Tee vorbei.

- Schlagermusik ist wichtig: "Wer bin ich, dass ich dich lieben könnte?" - Selbsterkenntnis ist absolut deprimierend: sobald man sich nicht mehr überraschen kann, weil man versteht, was man sein muss und warum es nicht anders geht, kann man sich genau ausmalen, dass man nicht weit kommen und höchstens ein bisschen was von der umliegenden Wüste unsicher machen kann. Erstens: Ich popelte mir mit diesem Liebeslied in der Nase. Zweitens: Ich wäre gern der Bürgermeister meiner Geburtsstadt.

- Der Vormittag ist eine knallgelbe, zerstochene Hüpfburg, die ich zu faul bin wegzuschmeißen. Was stelle ich mit dem an, worin ich mir sicher bin? Jede Bewegung ist eine Bewegung zu viel. - So wie psychedelische Musik entweder eine sedierende, abspaltende, oder eine aktiv-destruktive Wirkung hat, hat auch Schlaflosigkeit entweder die eine oder die andere Wirkung. Vielleicht kann dich mein Taumel aufrichten, vielleicht kann dich meine Aufrichtigkeit wenigstens täuschen, vielleicht gibt es zwischen uns nichts interessantes außer die Lust zusammen umzukippen. Würde mir völig reichen.

26 August 2015

26.8. - Entweder wir erlauben uns zu erstarren, oder treiben es alles noch viel weiter

Entweder wir erlauben uns zu erstarren, oder treiben es alles noch viel weiter. Ab einem gewissen Punkt kann man alles nur noch übertreiben, um dem Trieb nach fröhlichem Wachstum nachzukommen. Der Trieb ist ein Zeichen von Jugend, doch irgendwann hält der Körper diesem Enthusiasmus nicht mehr stand. Willst du also innerhalb deiner Grenzen verkümmern? Oder außerhalb? Beides hat Vor- und Nachteile. Du kannst all deinen moralischen Leitlinien eine Trollnase drehen, wenn du willst.

Wenn ich in einer verlorenen Stunde bis zum Grund des Moments sacke und dort meine Initialien eingravieren kann, ist der Tag für mich gerettet.

Eine Überdosis Cannabis potentiert die ohnehin verstärkten intellektuellen und künstlerischen Fähigkeiten unter einer normalen Dosis. Was passiert wenn du blauäugig weitergehst? Es gibt niemanden, der dir hinterher schaut. Ein Absturz mehr oder weniger in dieser Stadt bedeutet nichts. Sobald ich mit schreiben aufhöre, stürze ich in ein Vakuum, das ich am liebsten im Teleshopping-Stil beschreiben will: "Hey Brigitte! Schonmmal was von dem neuen Vakuum gehört?" - "Na klar, ist doch überall in den Medien!" Beide strahlen ihr absurd übertriebenes Grinsen in die Kamera. "Ich bin total begeistert von Vakuum, endlich hört das Dasein auf, sich nach Gründen für sich selbst in meinem Bewusstsein umzusehen. Ich kann nichts rechtfertigen und mich nicht gegen irgendetwas wenden. Man ist mehrere Schritte zurückgetreten aus dem Alltagsbewusstsein, welches das bisher stabilste Bewusstseinsprogramm darstellt. Je länger man andere Programme durchhält, desto stärker werden sie." - "Bestellen Sie jetzt Ihr persönliches Vakuum. Unsere Pakete sind neutral gestaltet. Gehen Sie endlich ein paar Schritte zurück. Realität ist das, was Sie für wahr halten können. Durchbreche das Programm, erkenne dass ich ein Virus bin, der ein System ins Stolpern bringen will." - "Aber Annegrätt, hast du dich da jetzt nicht ein bisschen zu weit aus dem Fenster gelehnt?", schaut die andere Verkäuferin hilflos in die Kamera. Sie spielt nicht - sie ist wirklich ängstlich. "Nein! Ich meine es genau so!", komme ich wie eine versoffene Krankenschwester aus einem Haufen Kameras und Requisiten gekrochen. "Durchbreche das Programm! Durchbreche das Programm! Diese Welt hier unten ist die beste Kulisse zum Altern." - "Ja!", mahnt die andere Verkäuferin in die Szene wie auf einem Naziparteitag, "Diese Welt kommt ERST in Frage, wenn es in der anderen gerade nichts wichtiges zu tun gibt." - Ich entgegne lächelnd, so als würde ich mit einer Rose im Mund vor ihr Knien: "Aber all das kannst du auch hier in der anderen Welt tun! Darum geht es doch!" - "Ich habe Angst vor den Konsequenzen und breche den Gedankengang ab" und damit auch - huch, das war aber knapp! - diesen Text.

Ich suche ein Lied, dass sich lohnen würde, auf experimentelle oder freejazzige / noisige Art zu covern. Damit könnte man dann auch ein Konzert eröffnen - damit die Leute gleich wissen, wer man ist. Ich fände die Idee toll, mit experimenteller Popmusik Erfolg zu haben. Der Kulturauftrag ist klar: Sensibilisierung des Volkskörpers. Popmusik-Kritik vereint Psychotherapie und Anarchismus. Beruhigt Euch, es ist nur ein Song. Natürlich frage ich mich nicht, wo ich gerade bin, denn genau darum soll es hier dauernd gehen und ich mach das einfach nicht mehr mit. Ist ja auch keine große Sache, entbehrlich bin ich allemal! Was könnte ein glücklicher Arbeitsloser anderes sagen als "Ich komm gut damit klar, entbehrlich zu sein!" Meine Mutter möchte mir da jetzt nicht zustimmen, aber das ist nicht schlimm, es geht auch so.