22 März 2015

22.3. - Zerrüttet



22.3.
Hab lang geschlafen. Bunte Träume. - Trinke einen Matetee, bin ziemlich verstimmt. Der Gedanke dass Schildi depressiv oder sogar tot ist bedrückt mich unheimlich. Ich schreibe ewig an einer sms mit der Bitte um ein kleines Lebenszeichen, "und wenn es nur ein Punkt ist". Ich kenne einige die zur Zeit depressiv oder psychotisch sind. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll.

Viele meiner Texte (in diesem Buch oder in anderen) kommen mir so albern vor, diese Verklemmtheit, dieses kindische Pathos, diese aufgedrehte Hoffnung, das ganze selbstverliebte Metaphern-Schleudern. An vielen meiner Texte merke ich, wie hilflos ich bin, wie absurd überdreht, grundlos heiter. Total idiotisch. - Da ist nicht mehr als mein Wille, Aufmerksamkeit zu bekommen, aber viel zu geben habe ich nicht. Mein Stil, meine Metaphern haben nichts mit mir zu tun, ich bin immer noch ein dummes, schwächliches Kind, das höchstens, wenn es sich von Koffein oder Cannabis oder Ergin aufwiegeln lässt glaubt, der Welt etwas zu geben zu haben. Wenn ich wirklich was zu geben hätte, würden meine Freunde viel näher bei mir sein und wir hätten schon irgendwas Tolles mit uns gemacht. Nein, jeder sitzt im kalten, stinkigen Fett seiner eigenen ordinären Depression (das Ordinäre macht es natürlich noch schlimmer) und holt sich auf seine Verlassenheit und Ratlosigkeit und Zukunftsabwesenheit einen runter. Ich hasse die Arroganz der depressiven, schweigsamen Nichtsnutze. Sollen sie doch fröhlich und laut ihr Nichts, ihre Angst, ihre gescheiterte Adoleszenz in falschen, übertriebenen Metaphern durch den grauen Himmel peitschen, so wie ich es hier in meinem lauwarmen Kakao aus Verwirrung, Selbsthass und infantilem Trotz versuche. (Es fühlt sich an, als würde mein Trotzen mir Gehirnsubstanz abtragen... besonders das Areal, wo mein Bedürfnis nach Würde und Selbsterhaltung produziert wird)
Ich saß eben eine halbe Stunde im Bett und hab die schwarz-gestrichne Wand angeschaut. Ich weiß nicht, was ich ohne meine Freunde machen würde. Vielleicht wäre ich viel aggressiver. Ich weiß nicht, was ich machen kann, wenn meine Freunde Selbstmordgedanken haben. Am Ende kann ich ihnen nicht glaubhaft vermitteln, dass das Leben sich lohnt. Weil ich gar nichts vermitteln kann außer diese blöde, hässliche, halb-euphorische, halb-verklemmte Geschwätzigkeit selbst; sie ist alles, was mir das Gefühl gibt, kein frustrierter, unbrauchbarer, interessenloser Krüppel zu sein. Später werde ich sicher diese Zeilen lesen und denken, ich hab es wieder übertrieben oder ich will mit irgendeiner "krassen Klarsicht" kokettieren oder dass ich einfach nur ein bockiger Schreihals bin... Ich bin immer arrogant meiner Vergangenheit gegenüber... Ich will nicht glauben, wie ich gewesen bin, ich kann nur akzeptieren wie ich bin, weil ich Hoffnung habe, dass ich mal was werde... Vielleicht passt es da, dass ich alles hasse, was ich gewesen bin. Ich schreibe immer nur, um etwas hinter mir zu lassen. Ich will mich durch meine Gegenwart in meine Zukunft schreiben. Auf keinen Fall in irgendeiner Naivität oder Bockigkeit stehen bleiben, bloß nicht irgendeiner optimistischen Grundstimmung verfallen, bloß nicht überzeugt sein, dass ich Talent habe, dass ich einen Platz habe, dass ich etwas zur Welt beizutragen habe... Ich finde es so unangebracht, so peinlich, fast behindert, Hoffnung zu haben, irgendeinen Stil oder Geschmack zu haben, auf irgendwas hinzuarbeiten. Ich finde es eklig, dass es mir gefällt, von Leuten abhängig zu sein, ich finde es dumm, mich an meine Freunde zu klammern, ich finde es bösartig, sie für meinen erbärmlichen Größenwahn zu instrumentalisieren, ich bin ein widerlicher Egoist, ein einsames, feiges Schwein, das sich mit Worten aufbauscht, um über seine Erbärmlichkeit hinwegzutäuschen.

"Ich habe wirklich nichts zu geben. Ich kann dem Gedanke, dass du nicht mehr lange durchhaltst, nichts entgegensetzen. Ich kann nur mein halbtotes Gesicht in die Welt halten."

Vor ein paar Tagen dachte ich noch, mich gefunden zu haben, meinen Stil, mein künstlerisches Selbstverständnis, meine Aufgabe. jetzt kann ich nicht viel mehr als diesen kleinen Stich wahrnehmen, der hinter meinem rechten Auge sitzt und all meine Hoffnung und Klarheit verbiegt und verzerrt, die ich mir mit meinen Texten versucht habe aufzubauen.
Alles was ich noch sagen kann ist, dass ich mich vor meiner Hoffnung schäme, dass der Frühling irgendeine Besserung bringt.

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