18 April 2015

18.4. - Ärgere dich nicht ...


War toll gestern mit Schildi Musik machen. Immer total belebend. Wenn er gut drauf ist hat er eine tolle Energie, ich fühl mich so sehr verbunden mit ihm und jetzt mal wieder den Vaporizer benutzt mit viel Kleinkraut. Angenehm ätherisches Schweben.

Cannabis verändert das Zeitgefühl, alles ist langsamer, gründlicher, die Euphorie beim Kiffen kommt daher: das Gefühl, die Zeit kontrollieren zu können und den Tod immer weiter herauszuschieben, vertreibt das banale, lähmende Todesbewusstsein - Die Abwesenheit von Sterblichkeitsbewusstsein, von der Gewissheit des Todes unter Cannabis empfindet man als Euphorie.

Cannabis verrät mir durch die Blume, wie abwesend, wie ausgeklinkt ich bin. Es gibt keinen wirklichen Grund, den Fortgang meiner Existenz für selbstverständlich zu nehmen. Selbst ein Beet bunt-leuchtender, warmer, weicher Blumen könnte nicht vollständig den Gedanken aus meinem Herz fischen, dass dies der letzte Tag meines Lebens ist. - Ich habe mich oft als Kind so verloren gefühlt, manchmal sogar ein bisschen geweint, als mir bewusst wurde, dass mich noch keiner meiner Freunde richtig umarmt hat, so wie meine Mutter mich oft umarmt hat. - Ich kann wirklich froh sein, dass meine Mutter nicht so herzlos war wie ihre Mutter. - "Ich bin emotional ein Höhlenmensch mit Internetzugang.", habe ich letzten Mittwoch in der Gruppentherapie von mir gesagt und der Therapeut hat nicht gelacht, aber dafür an der Stelle, als ich gesagt habe, dass Moral Geschmackssache ist, denn so wie man sich nicht entscheiden kann ob man Spinat mag, so kann man auch nicht entscheiden, ob man am Guten oder Bösen, am Rationalen oder Emotionalen mehr Geschmack findet.

Mein Sattheitsgefühl schneidet sich in warmen Stößen durch meinen Körper. - Um ehrlich zu sein: ich empfinde ein so großes Gefallen am Cannabis-Rausch, dass ich mich fragen muss, ob es schon eine psychische Abhängigkeit ist. Am besten nur im Rausch darüber nachdenken. Das Leben ohne Cannabis ist sehr kalt, trocken, belanglos, weil oberflächlich. Cannabis pusht die Glückshormon-Drüsen, die Sinn-Drüsen. Eine heitere Wärme, die ich vermissen würde, wenn ich wie ein von Unterforderung überfordertes Gespenst durch den gemütlichen Schrottplatz meines Lebens spaziere. Draußen blüht der Frühling. Die Musik macht sich darüber lustig, dass ich nicht so erhaben bin wie sie. Heute gehe ich noch auf dem milden Abend-Sonnenteppich ins Edeka mit meinem Nachbarn und treff mich mit Katrin oder umgedreht. Die Stadtwerke wollen in zwei Wochen 550 Euro haben, die ich niemals zahlen kann. Es kommt mir wie ein Sieg vor. Mein Hang zum Heruntergekommenen, zum Hoffnungslosen kann mich nicht abbringen von meinem Ziel, öffentlich anerkannt zu werden. Mein instinktiver, fast ein wenig koketter Pessimismus soll nur der glühenden Euphorie hinter meiner Stirn und in meinem Herzen etwas entgegenstemmen. Noch ist nicht die Zeit zum Strahlen, ich muss mich in meine nackte Existenz vertiefen, um meinen Geist zu stärken. Ich darf auf kein Gefühl reinfallen, ich darf aber so tun, als würde ich nicht glauben, dass dieses Gefühl begrenzt ist und einseitig sowieso. Wenn man sich von Idealismus frei machen will, muss man einfach nicht mehr in die Zukunft schauen. - Das weiche, dornige Rosenbett meiner Kindheit öffnet sich unter Cannabis wie ein Traum. Das Leben ist ein so großes Abenteuer wie der Tod, Suizidgedanken machen, dass der Körper mehr Lust auf das künftige Abenteuer bekommt als gewöhnlich. - Solang man weiß, dass eine Halluzination eine Halluzination ist, ist doch alles gut: was ist an einer größeren Phantasie, einer tieferen Sumpfigkeit einzuwenden? Geistige Instabilität ist ein aufregender Tanz der Wirklichkeit mit der Möglichkeit. - Der Gedanke, nur Dinge zu tun, die das Leben bereichern. Auch das Leben der Anderen: anreichern mit Problemen, neuen Idealen, neuen Verhaltensweisen. - Die Deutschen arbeiten, um sich Dinge leisten zu können, mit denen sie ihre Langeweile und Existenzangst überdecken können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Leute gibt, die sich für ihre Lebendigkeit an sich interessieren. Für sie ist das Leben nur ein Mittel zum Zweck. Für mich sind die Möglichkeiten, die ich habe, Mittel um die Qualität des Lebens an sich einzustellen. Mein Musikgeschmack beweist, dass ich nicht in die Gesellschaft gehöre. Alles was ich will ist, meinen Musikgeschmack ernst nehmen, mein Leben meinem Musikgeschmack anpassen. Die Lust, mich mit meiner Musik und meinem Schreiben unkenntlich zu machen. Man kann nur über etwas anderes als den Tod schreiben, wenn man nicht an ihn glaubt.

Glaube niemals den Gründen für deine Gefühle. Ärger dich nicht wenn du deine Gefühle nicht erklären kannst. Karl ist manchmal bösartig, weil er von mir erwartet, dass ich seine Probleme genau so bewerte wie er. Ich möchte mich einfach ausagieren und mich nicht rechtfertigen. Er ist ein schleimiges Monster, so wie ich neben einem seiner cholerischen Anfälle wie ein kaltes, schwächliches, dummes, autistisches Kind wirke. Ich mag es, wenn ich aus Reflex eine Rolle annehme, die ich nicht rechtfertigen kann, aber ich hasse es, dafür beurteilt zu werden. Wenn mich Karl nochmal in seine ekelhaft selbstsüchtige, kindische, affige Paranoia reinzieht, muss ich ihm die Kniescheiben einschlagen ... ganz stumm und ordentlich ... und am Ende flüstern: "Weil du mich immer so anschreist!" Dieses klebrige, grüne, sabbernde Untier. Psychopath in Hipsterhosen. Ich habe keine Probleme, das hier so zu schreiben, weil ich es auch toll finden würde, wenn Karl in einem Buch über mich so böse herzieht. Es ist etwas, was wir beide aushalten müssen .. und auch ohne Weiteres können. Man darf solche Impulse nicht unterdrücken, sonst keimt irgendwann ein richtiger Hass, den man nicht mehr so einfach entwurzeln kann wie jetzt: noch wächst der Widerwille gegen Karl in der weichen, flachen Erde meiner Schlaflosigkeit. Er darf seine Wurzeln nicht tiefer graben, denn Karl ist mein bester Freund. Wer weiß, wie oft ich schon eklig, böse, ungerecht zu ihm war. Eigentlich habe ich nur Angst vor Karl und möchte mich nicht zu sehr vereinahmen lassen. Sein Lebensentwurf und sein Temperament ist von meinem zu verschieden, als dass ich mich bedingungslos fallen lassen kann. Unsere Freundschaft wird immer einen Sicherheitsabstand einhalten, zumindest werde ich dafür sorgen. Ich schätze Karl für all seine Eigenschaften, die sich in einem fein abgestimmten Verhältnis zueinander befinden, ich möchte daran nicht rühren, aber will/kann mich auch nicht darauf einlassen. Es ist egal ob man etwas nicht will oder nicht kann. Ich möchte von niemandem beurteilt werden, so wie ich niemanden beurteile. Ich werde mein Leben lang ein Vorurteil nach dem nächsten ausagieren, ich werde niemals ein gerechtes, fundiertes Urteil über irgendwen fällen können. Alles bleibt offen, langsam wird die Abendstimmung kühler, ich fühl mich einsamer, aber ich habe jetzt nichts getan, das ist beruhigend, was mich in irgendeine schlechte Situation bringt.. ja, ich habe nichts kaputt gemacht. Ich hätte das hier sowieso nicht abgedruckt, wenn ich Karl nicht vorher um Erlaubnis gebeten hätte. Merken; Karl um erlaubnis fragen. - Das Problem ist ja nur, dass ich nicht so gut zeigen kann, dass ich genau so dünnhäutig bin wie er. Und jetzt ist alles wieder gut.

Es scheint, dass die Menge meiner Vorhaben die Intensität meines Todesbewusstseins beeinflusst: je mehr ich will, desto stärker denke ich an den Tod. Je mehr man aus seinem Leben machen will, desto mehr sieht man vom Tod bedroht. Von der Angst vorm Tod kann man sich kurieren, wenn man im Garten in der Sonne sitzt, Tee trinkt und den Vögeln zuhört und an ein paar Blümchen schnuppert und ohne sich zu rechtfertigen alles einfach beiseite schiebt, was die Gier und Masse der Zukunft erhöht. - Ich habe Angst, auf mein Glück angewiesen zu sein. Ich würde gern alles in der Hand haben. Leider bin ich vollständig ausgeliefert, ich kann nur hoffen, dass du diesen Satz richtig verstehst und dich an mich schmust. In der Abenddämmerung liegen, in den blauen Himmel glotzen und aneinander festhalten, um mit dem Gefühl, in den Himmel zu fallen, zu spielen.
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Eben mit Katrin und Christian im Edeka. Christian merkt dass ich bekifft bin und macht lustige Psycho-Spielchen. Es ist schön wie er mit mir spielt, ich muss mich oft total durchlachen. Ich habe eine große Befürchtung, dass Katrin irgendetwas von diesem Abend erwartet, dass ich ihr nicht geben kann. Aber ich kann meine Leser beruhigen, dem Helden ist nichts passiert. Mein schwieriger Nachbar hat ein schwieriges Gespräch mit seiner normalen Exfreundin. Es ist komisch, was die Liebe alles binden will. Größenwahnsinnige Liebe! Setz dich mit mir in den Garten und wir schrauben das Gehirn wieder in die vierte Klasse, trinken dunklen Wein, liegen am Gartendümpel und schauen in den Sonnenuntergang. Konflikte entstehen, wenn man in unterschiedlichen Geschwindigkeiten lebt. Zum engeren Kreis zählen für mich Leute, mit denen ich gemeinsam langsam sein kann. Richtig schön langsam alles, so als würde das Leben durchatmen. Im Morgensud dümpeln und am Boden nach Tageszielen tasten. Ich glaube mit diesem Satz bin ich 30 geworden. Ein neues Level ist erreicht. Oh Mann, ja... Es ist passiert. Ich bin 30. Zeit, morgens neben Schildi einzuschlafen und am Abend dann eine laute, angsteinflößende Zirkusmusiknummer auf einer Krimes-Bühne geben. Oh wenn du das liest, ist es ja eh zu spät... Ha, so ein schauriger Satz darf nicht das Ende bilden. Zum Glück ist Katrin ohne enttäuschtes Gesicht gegangen. Sie war lang nicht unter Menschen. - Es ist vielleicht objektiv so, dass man das Leben unter Cannabis verzerrt wahrnimmt. Die Aufregung die ich empfinde ist sachlich nicht zu rechtfertigen. Sie macht mir bloß was vor. Dieser Taumel bedeutet gar nichts - sag ich und habe ihn an der Leine wie einen Herbstwind, der irgendwas im Laub der blauben Nachmittags-Stadt sucht. Ich fühle mich eher dazu berufen, mit Worten zu spielen, als mit Worten Türen zu öffnen -> und so fühle ich mich auch eher dazu berufen, mit der Wirklichkeit zu spielen, als mit der Wirklichkeit Türen zu öffnen. In der Wirklichkeit kann ich mich nicht über die Wirklichkeit hinwegtrösten - die Parole jeder alternativen Lebensform. Jedes Lied schmeckt nach: "So, das ist also der letzte Moment als vernünftiger, geistig gesunder Mensch, als wäre dies der melancholische Good-Feel-Ruhe-vor-dem-Sturm-Abend, wo man Kraft für das Kommende sammelt. Dies ist unbestreitbar ein Schnappschuss meines Lebens, euphorisch durch die Banalität stolpern und am Ende des Tages nicht weinen können. Die Überzeugung, dass das Leben eine gerade Linie ist, depremiert mich wie das Todesurteil einen Unschuldigen depremiert. Heute ist ein schöner, frischer Abend, ich fühl mich so verbunden mit dem Leben, wie schön wär es mit den richtigen Leuten zusammenzuwohnen. Nightswimming von REM drückt so angenehm auf die Sentimentalität. Irgendjemanden haben, bei dem man traurig sein kann. Was ist daran schlimm, verbunden zu sein? Es ist alles was man haben kann. Es hat so viel Potential. Ich unterdrücke pünktlich zum Ende des Liedes weitere Rührung und hab vergessen, was ich als nächstes anmachen wollte und plötzlich ist der Abend vorbei. Ich erinnere mich noch daran, dass Christian angekündigt hat, den Abend mit Antje katastrophal enden zu lassen. Ich bin froh mich wegschließen zu können, und trotz all unserer kleinen Schwierigkeiten habe ich langsam das Gefühl, das Christian mit zu meinen Leuten gehört, er ist sehr unterhaltsam und lustig. Ich würde gerne in einem bunten wackligen Straßenzirkus durch die Länder ziehen. Alles was ich mir an Zukunft phantasiere, findet abends statt, so als bestünde für mich nur noch die Aufgabe, den kühlen, melancholischen Herbst meines Lebens zu bewältigen. Das Gefühl, dass das Leben eine nervige Qual ist, macht Spaß, wenn man einen Freund hat, mit dem man gemeinsam versacken kann. Ich muss aufpassen, dass ich Schildi nicht in diese Richtung idealisiere. Diesen Satz sollte ich unterstreichen, aber ich tu es nicht, und selbst das Unterlassen gehört zu diesem Buch - und ist fast interessanter als das, was ich unterstreichen wollte. Ich würde gern besser verstehen, was Schildi die Musik bedeutet und wie er sich seinen idealen Hörer vorstellt. Ich finde so toll, dass er sich solche Fragen gar nicht so intensiv stellt wie ich. Er ist so erhaben, er weiß gar nicht wie wichtig er mir ist und das ist auch erstmal gar nicht schlimm. Vielleicht werde ich irgendwann traurig und besiegt auf dieses "erstmal" schauen, und feststellen, dass meine Vorahnung den Sturz nicht abgefedert hat.
Es muss mal ein Horrorfilm gedreht werden, der sich mit dem Erwachen aus bunten, wilden Träumen in den erschreckenden, bösen Alltag befasst. Plötzlicher Schauder und Todesangst bei der Vergegenwärtigung von Routinen, Freundlichkeit, Unterdrückung des Ekels und der Panik. Hypersensibel und wehmütig in den leeren Alltag, dessen Wände kalt und dessen Sitzgelegenheiten hart sind. Der Film muss alles Genormte, Schablonisierte, Berechenbare, Ordentliche als Bedrohung, als Terror, als Vorstufe von Wahnsinn und Tod darstellen.

Ich weiß nicht ob ich schon im dritten Blumebuch bin. Während ich durch dieWohnung geh kommt mir die weich-plastische Gewissheit dass mir bald etwas, wovor mich meine Eltern gewarnt haben, zum Verhängnis wird. Es ist demgegenüber ein tolles Gefühl, wenn die Musik wichtiger, gültiger, kräftiger wird als das, was ich zu schreiben habe. Einfach zurücklehnen, auf den Boden legen und die Musik ihre Wahrheiten sprechen lassen. Es war letztens total schön, mit Schildi einfach nur Romee zu spielen und Aufnahmen anzuhören, die wir vor einem halben Jahr aufgenommen haben. Die Idee, Hintergrundmusik für ein langes, ruhiges, meditatives Romee-Spiel zu machen. Und noch toller wäre es, wenn die Musik, die ich mit ihm mache, von uns nachts über die Stadt gestrahlt wird. Es wäre so toll, wenn ich ihn seit 20 Jahren oder so kennen würde, er wäre mein allerbester Jugendfreund gewesen. Mit Schildi eine Nachtsendung machen, incl. Botschaften und Samples. Das wäre ein toller Beruf und irgendwie ein tolles Leben. Genau das machen was man will, sich immer weiter entwickeln, immer mehr ausbreiten, immer neue Sachen probieren, alles in einer gemütlichen Dachboden-Wohnung. Feste, zentrale Bezugsperson, Ruhepol, Heimatgefühl. Ich habe den Gedanken, mir zum Ziel zu setzen, ein richtig ergreifendes, rührendes, ehrliches Lied zu schreiben. Ein Lied in dem ich ehrlich weinen kann. Ich möchte ja nicht immer nur etwas performen/darstellen, sondern auch mal ganz aufrichtig meine Sentimentalität und Ergriffenheit ausdrücken. Ein therapeutisches Lied, der Schreibprozess ist ebenso therapeutisch wie das Singen selbst. - Ein intensiver, bunter, aufregender Tag geht kalt und übermüdet zu Ende. Ich habe Lust, die nächsten Tage durchzuschlafen und am ersten wachen frischen Tag mit Schildi Musik zu machen und Karten zu spielen. Es könnte alles so einfach sein, wenn ich mir nicht dauernd bewusst wäre, dass alles nur ein großer Betrug ist, dass ich Opfer meiner Hoffnungen und Ängste bin und dass ich völlig fehl am Platz bin und dass niemand meiner Freunde etwas mit meinem Lebensentwurf anfangen kann. Lieber noch werde ich verachtet als von Leuten, die mich nicht verstehen, "interessant" gefunden zu werden. Ein banaler Gedanke, aber ich kaue ihn gerade und dieses Kauen ist anstrengend, aber führt zu nichts, vermutlich macht es mich nur ein bisschen älter und unbestechlicher. Irgendwann kann ich mich selbst nicht mehr mit Hoffnung bestechen - dann könnt ihr mit mir machen was ihr wollt...

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