26 November 2015

Elektrische Sonne

Zweifel hemmen, was nur ohne Zweifel möglich ist, sie beweisen sich selbst, sie sind ein Seitenaufprallschutz und werden in unfallfreien Zeiten zu einem Galgenstrick. Wir schmieren bunte, glänzende Farben an die Wände, um den Leuten zu beweisen, dass wir nicht depressiv sind. Touristen machen Fotos, wie ein Schwarm roter Flamingos fliegen kollektive Assoziationen durch die letzten Tage bis durch eben diesen Moment. Wir schauen eigentlich nur auf eine Welt zurück, in der wir irgendwie um bestimmte Dinge herumgekommen sind, nur daraus beziehen wir unser Selbstbewusstsein. Ist das nicht so töricht wie dem brutalen, dummen Vater, der schläft, einen Bolzenschneider an den kleinen Finger zu setzen und in den grünen Halbmond zu grinsen mit weißen, glühenden Augen und die Zange herunterzudrücken und sein ekstatisches Schreien vor Schmerz, seine extreme Verwirrung, Angst, Panik, die viel intensiver vielleicht noch als der Schmerz an der Hand ist, hohl grinsend über sich ergehen zu lassen..?

Die Stadt ist ein immer hellblauer werdender Kristall in meiner Stirn. Ohne hier einen Standpunkt zu behaupten bin ich ausgerutscht und falle auf dein gemütliches Kopfkissen. Du bist unauffällig gekleidet und hast blutunterlaufene Augen, weil du deine Kontaktlinsen ungeputzt auf deine Hornhaut legst. Du bist so süß, wenn du infiziert aussiehst, so sexy, wenn du deine Augen ganz nach oben drehst, sodass man nur noch das stechende Weiß sieht, als Antwort auf die Frage, was du beruflich machst. "Wir brauchen eine Droge, die aus der Gegenwart das macht, was die Nostalgie aus der Vergangenheit macht.", sagst du.

Meine bockige Fresse will dich nach hinten knicken lassen, aber ich will es nicht. Ich liebe dich, weil du dich nicht von meinem Gesicht abschrecken lässt. Wir rauchen etwas starken Tobak und stellen uns dem Universum. Der schwarze Vulkan in meiner Brust, der triefende Abfluss in der Küche, die elektrische Sonne im Himmel. Sieh, wie ich immer ernster werde, sieh wie ich dein fleischiges HERZ verknote! Was ist Euphorie anders als Wahnsinn? Was ist Wahnsinn anders als Empfindlichkeit? Was Empfindlichkeit anders als Möglichkeit? Je mehr Möglichkeiten ich habe, desto besser kann ich mich verwirklichen. Du sagst, wir sind dazu verurteilt, uns zu verwirklichen.

Unser Körper ist viel zu stabil, als dass wir uns eine wirkliche Vorstellung von der Instabilität unserer Umgebung machen könnten. Wir wissen, dass wir ein Körper sind und dass unsere physische Präsenz mit der physischen Präsenz der instabilen Welt gekoppelt ist. Die extreme, unvermeidbare Verbundenheit mit der Welt und unser Ich stehen sich feindlich gegenüber. Panikpanikpanik. Die Musik lässt mich genüsslich Schlimmes ahnen, ich erinnere mich an die Angst beim Klettern auf Hausdächern. Ich weiß, es gibt hier keinen Grund für Todesangst, meine Emotion passt einfach nicht zur Situation. Dieser Kontrast ist eine Qualität der Euphorie. Ich stürze in die Zukunft ohne mich zu kennen.

Wir wissen - und dieses Wissen macht uns stark und unabhängig und geschmeidig: die Psychose ist ein Werkzeug, um uns neu zu definieren. "Ich hab nix und du hast nix - lass uns was draus mamamamachen", singt Rio Reiser und wedelt uns mit großen, weißen Federn frische Luft zu.

Hier kann man von unbedeutenden Problemen vom Sattel geschubst werden, weil das Pferd eben auch nur eine unbedeutende Sache wird.

Psychedelischen Zustände sind Nachahmungen außergewöhnlicher Kräfte, die man in Situationen bekommen kann, in denen man in Lebensgefahr ist. Todesangst erweitert das Bewusstsein. Der Vorteil psychedelischer Drogen ist, dass man sich diese Erweiterung auch in Situationen zu Nutze machen kann, in denen keine Angst angebracht ist.

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