10 November 2015

Eine Störung

I

Die Gemütlichkeit meines Bettes ist keine Auszeichnung.

Vielleicht werden wir immer isoliert bleiben. - Psychedelische Problemlösung: übertreiben, was das Zeug hält, nichts mehr entscheiden, nicht mehr ehrlich mit der Umwelt interagieren versuchen, wenn man nicht von irgendetwas derart erregt ist, dass man nicht weißt, wer man überhaupt noch ist.

Die Welt hat nur als ästhetisches Phänomen noch Halt in meinen Knochen. - Cannabis hilft, die Schönheit und Heiterkeit hinter dem nichtigen Alltagsleiden aufzuspüren.

Die Wirklichkeit ist so filigran wie deine Nackenhärchen. Alle Menschen haben feine Nackenhärchen. Die Niedergeschlagenheit, die über mich kommt, wird gewaltig sein. Zum Glück steht nicht absolut fest, was man mit Leuten, die man ekelhaft findet, gemeinsam hat.

Frei ist, was nicht durchdacht ist.

Wenn man sagt: "Dieses Kunstwerk finde ich schlecht." sagt man damit eigentlich nur: "Dieses Kunstwerk kann ich nicht ernst nehmen." und meint "Dieses Kunstwerk will ich nicht ernst nehmen." und wenn man darüber noch glücklich ist, wird man niemals eine andere Perspektive einnehmen.

Du bist ein Gegenstand in der Natur. Lässt sich aus deiner Orientierungslosigkeit ein Staat machen? Bist du eine biologische Maschine oder willst du bloß eine sein?

Vom Staunen und Irritiertsein schlaflos gewordene, ambitionierte, respektlose Sparkassengesicht-Versager werden kälter, transparenter und verlieren den Anschluss. Niemand vermisst sie: das ist ihr Vorteil. Pessismismus ist ein warmer Novemberregen.

Plötzlich tut das Nichts so, als wäre es der größte, coolste, giftigste, rotleuchtendste Käfer in der ganzen Stadt. Fettgefressen von der Faulheit und Langeweile meiner Mitbewohner, lauert er meinen Butandiol-Entgleisungen auf.

Einzig rettender Gedanke auf lauten, langweiligen Partys: "Ich kenne keinen hier und keiner kennt mich." Es ist so beruhigend zu sehen, dass die Befremdlichkeit auf Gegenseitigkeit beruht. Für die Meisten bin ich ein Fremder - und nur die Rampensau in mir hat damit ein Problem. Die Distanz zwischen mir und den Anderen ist unüberwindbar und genau deshalb ständig im hellsten Licht meiner höchsten Aufmerksamkeit.

Leiden ist besser, als überhaupt nichts mehr mitzubekommen. Je älter man wird, desto weniger versteht man das.

Ganz bestimmt hängt der Wunsch, jemanden zu küssen, mit der Erkenntnis, dass das Leben nicht ewig ist, zusammen. Musik festigt diesen Zusammenhang.

Depressionen sind kein Grund, depressiv zu sein.

Wir sitzen in der Badewanne unseres Lebens und wissen plötzlich, dass es nicht darauf ankommt, sauber zu werden, sondern mit der Quietschente zu spielen.

II

"Ihr seid doch verrückt!", sang das bunte, schöne Volk uns nach, da waren die Segel schon gesetzt.
"Wollt ihr wirklich die Reise antreten?", lachte die dicke, schöne Bäckerin und kannte die Antwort.
"Wir wussten, dass ihr uns eines Tages zurücklassen werdet!", jubelte der warme, schöne Großvater.
"Ihr seid Broccoli im Schnellkochtopf!", wieherte ein betrunkenes, schönes Huhn,
und erst als uns keiner mehr nachgewunken hat, hatten wir das Gefühl, auf unserem Kurs zu sein und als unsere Metaphern ausgingen, sind wir auch unser Selbstmitleid losgeworden.

Wir hocken nun auf riesigen, grauen Treppen vor der Kathedrale des Sonntags, verdichten größenwahnsinnig unsere Kraftlosigkeit, trotzen maskiert dem nackten Wind, lesen uns im Internet eine Identität an und wieder ab und wieder an und wieder ab, schalten zur Abwechslung den Fernseher aus und wieder ein und wieder aus und wieder ein, ketten nüchterne Momente und warme Cannabis-Vertiefungen endlos aneinander und posaunen in dunklen, langezogenen Tönen Obszönitäten in unsere Unterwelt oder sitzen insomnisch-grau auf einer Parkbank und schwelgen verzerrt von Überforderung in der Gewissheit, dass alles sich zu unseren Gunsten entwickeln wird, während im Gebüsch neben uns eine von einem Auto angefahrene Katze unter extremen Schmerzen verblutet.

Ich kratze - trunken von unendlichen Assoziationen - alte Wunden auf und finde nichts. Ich bin eine Nostalgie-Maschine. Ich esse die Döner-Reste, die jemand auf der Parkbank liegengelassen hat und will ein echter Dichter werden. Ich furze in fremde Betten, ich stinke alles voll mit meiner Biologie, die große Augen macht. Meine Handschrift verändert sich, weil die Musik umgekippt ist. Ich möchte meine Verklemmtheit von vollkommenem Fieber aufbrechen lassen, den strahlend-weißen Kirschbaum an der Friedhofsmauer schütteln.

Ich spüre mein zukünftiges Publikum, ich spüre wie ich verstanden werde, mich in eine Eidechse verwandel und mit einem schwarzen Biss den Bundespräsidenten vergifte. Das ganze Land wird ihm unter meine Bettdecke folgen.

Ich kann für diese harte, unruhige, langweilige Stadt nur Liebe empfinden, wenn ich mit Freunden an der Hauptstraße Cannabis rauche: das ist weder ein Einwand gegen die Stadt noch gegen die Droge. Beides existiert, beides kann kombiniert werden. Am besten pur, am besten bio, am besten von Kennern empfohlen. Solang mich Kleinigkeiten nicht bombardieren, solang mein Mitbewohner nicht im Wahn auf mich los geht, solang ich nicht verdumme und verfaule...

Wer etwas gegen Drogen sagt, muss auch etwas gegen Musik und Liebe und Träume und Obst und Gemüse sagen. Es kann nicht verboten sein, sich Zustände zu verschaffen, die bestimmte Handlungen innerhalb geltender Gesetze genießbarer oder bestimmte Situationen erträglicher machen oder bestimmte Genüsse und bestimmte Einsichten vertiefen können. Wenn es also legal ist, in der Badewanne zu liegen und Brahms zu hören, kann es nicht verboten sein, Substanzen zu nehmen, die die Intensität des Badens und Brahmshörens steigern können. Drogengesetze zwingen, von der Flora und vom Gehirn einen sehr beschränkten Gebrauch zu machen. Sie zwingen dich, die Welt auf eine bestimmte Art und Weise wahrzunehmen. Sie zwingen dich, bestimmte Aspekte zu ignorieren. Sie sagen: "Schau da nicht hin!", "Geh nicht dort hoch!", "Bleib hier!" Sie kontrollieren deine Stimmungen und Erfahrungen und damit deine Möglichkeiten. Ich verstehe, warum Kurt Cobain und William S. Burroughs zusammen Tee getrunken haben.

III

Ich "bin" alles, was mich hemmt, ganz anders zu "sein".

Wer fragen beantwortet, kippt auch abgekühlte Ofenasche auf die ersten Schneeglöckchen und Krokusse des Jahres.

Bestimmte Drogen ersetzen einen manischen Freundeskreis. Finde heraus, welche! Alles ist gut, was deine Energie mehrt. Du bist niemandem etwas schuldig.

Je sensibler man wird, desto besser kann man sich selbst manipulieren.
&
Wer sich irren will, bekommt mehr mit als jemand, der sich nicht irren will.

Mit wem wollen wir die Zeit rumkriegen? Mit wem wollen wir unser Vergammeln dekorieren? Mit uns! Mit uns ganz allein! Die Anderen sind nicht mehr als die Helfer und Helfershelfer unserer egomanischen Utopie. Die einzig durchdenkbare Alternative wäre: alle lassen sich einander in Ruhe: die Hölle.

Die Unmöglichkeit, meine Cannabistexte zu strukturieren, ist einer ihrer zentralsten Gegenstände, ebenso die Unmöglichkeit, diesen Gegenstand objektiv zu bewerten.

Nicht, ob ich mich im Griff habe, interessiert mich, sondern wie ich mit der Panik umgehe, die hinter der Erkenntnis meiner Nichtigkeit auf mich wartet. Ich würde sie gern euphorisch bis ins Unendliche steigern: glühendes, flatterndes Nichts.

Es bleibt jedem selbst überlassen, welche Knöpfe zu drücken sind: diese Freiheit ist uns zumutbar. Die Konservativen wollen eine Welt mit weniger Knöpfen, wir wollen mehr! - Welche Blumen findest du am schönsten? Welche am wirkungsvollsten? Was willst du aus deinem Leben machen? Passt das in einen Beruf, den es schon gibt oder musst du einen eigenen erfinden?

Alles was du von dir weißt, ist auf ganz brutale Art und Weise wahr. (Wäre schön, wenn ich diesen Satz in eine blaue Blume verwandeln und auf die Fensterbank meiner Freunde stellen könnte.)
&
Alles ist ein Gegenstand.

Realität ist das Zwischenprodukt eines neuronalen Stoffwechselprozesses. Unser Gehirn kackt und frisst unser Ichgefühl. Unser Körper ist das Klo und unsere Umwelt ist die Klärgrube.
&
Der Tod ist eine Erfindung der Werbeindustrie.

Je weniger ich mich spüre, desto berühmter will ich werden.

Du solltest dich nur noch mit Leuten befassen, die du gern anfässt.

Wir hassen jeden, mit dem wir nicht so umgehen können, wie wir es wollen.

Je weniger man mitbekommt, desto fester sitzt man in seinem Sattel. Die Ausbrechung, sie wird immer weicher / die Zerreizung über alles! )( Mein Ich ist ein Schaufenster )( Ohneschlaf ein Pflasterstein. - Ich kann nur predigen, wenn ich niemandem in die Augen schaue. §§§§ ich wachse und verhärte _ auf Kosten meiner Melodie. - ich verdichte meine Texte wie meinen Freundeskreis.

Die Kunst will, dass du mit ihr verschwindest.

1 Kommentar:

  1. `Die Welt als ästhetisches Phänomen...`, was diesem text zugestanden werden kann in gleicher weise und intention, dass also herrlich-skurrile wortkunst die wesentlichen fragen wie antworten stellt und zugleich zu liefern sich aufmacht, allesamt entnommen, enthoben alltäglicher, scheinbarer banalitäten, die über allem gewoben ist und fabelhaftes lesevergnügen hervorbingt. Love this!!!!

    AntwortenLöschen