10 Oktober 2015

10.10. - Also zögerte Zarathustra


Die letzten Wochen habe ich verschlafen. Ich habe gutes Haschisch aus Weimar von meinem alten Literaturprofessor, mit dem ich fast jede Woche rauche und durch die Stadt laufe und vorallem Krach mache. FreeJazz ist so ein schöner Butterklecks in meinem Mund.

Du hast den Sinn deines Lebens gefunden, wenn du dir wünschst, dass das Lied, was man auf deiner Beerdigung von LP abspielt, einen Sprung hat und der Trauergemeinschaft ein Gefühl größten Unbehagens spendiert. Ist dein Leben denn viel mehr als eine verkratzte Schallplatte auf deiner Beerdigung?

Diese unheimliche Gewissheit, dass alles so wird, wie ich es mir denke. Ich muss extrem langsam und vorsichtig mit meinem Potential umgehen, ich muss langsam und stabil in die Welt hineinwachsen, die sich langsam für mich ergibt. Ich durchdringe den Acker des Zukünftigen mit meiner Blauäugigkeit als suchte ich im Universum einen Planeten, der mein geistiges Abstürzen abfangen kann, während ich fast wie nebenher an den Rand meines Körpers stürze. Ein Schritt weiter: Selbsterkenntnis führt zu Psychosen. Deshalb wird sowas ja niemandem empfohlen. Eine gesellschaftliche Rolle abarbeiten ist fulminant verschieden von Selbsterkenntnis. Je unsicherer, je tollpatschiger, je intuitiver, je paranoider eine Handlung ausgeführt wird, desto direkter läuft man auf die Geisterstadt der Selbsterkenntnis zu.

Jenseits des alltäglichen Tätigkeits-Rausches gelangst du über einen wackligen Korridor in verschieden ausgepolsterte, total gemütliche kleine Zimmer, in denen du alles findest, was du zum Glücklichsein brauchst. Dein Denken und dein Körpergefühl müssen sich verändern, damit du diese schönen, reichen, vollständig zu deinem Leben gehörenden Dinge als solche wahrnehmen und schätzen kannst.

Im Blubbrigen lese ich wieder vermehrt Texte von Nietzsche, und verstehe ihn noch viel leichter, intuitiver. Das Gelesene hat ein paar Jahre gebraucht, via Selbstgesprächen in mein Wesen zu wandern. Ich bin definitiv verwandelt. Je mehr ich mir eine Funktion in der Literaturgeschichte wünsche oder wenigstens in meinem Freundeskreis, desto weniger Substanz fühle ich in allem, was ich sein könnte. Es bedarf eines harten Urteils - und das kann ich nicht sprechen, ich reflektiere nur und entscheide nicht. Dieser bunte, wirre Wortteppich ist nur die Manifestation meines Wunsches, alle lebenswichtigen Entscheidungen aufzuschieben.

Es ist kaum zu ermessen, wie frei jeder Einzelne tatsächlich ist. Lassen wir uns von dem Schatten, den der Determinismus in unserem Denken hinterlassen hat, nicht entmutigen, denn wir können niemals wissen, was geschehen wird. Nun, ok, ich weiß nicht, ob das tatsächlich ein Trost ist. Aber was hindert dich denn, in eine andere Richtung zu gehen? Gewiss die Tatsache, dass du dich gar nicht bewegst, du steckst fest - wenn du bestimmte Dinge nicht veränderst, kannst du dich nicht verändern. Befreie dich von aller Routine, und du findest dich auf einem vollgerümpeltem Hinterhof wieder, aus dem Radio kommt düstere Jazzmusik und es regnet vielleicht gleich. Jetzt hockst du noch vor diesen Zeilen, zu unfähig, dir einzugestehen, dass du für immer hier feststecken wirst. Aber Stillstand ist eine ebenso deutliche, wenn nicht die deutlichste Bewegung. Im Stillstand reift die Idee der Bewegung. Du benutzt die Idee des Determinismus, um dich guten Gewissens zurückzulehnen und ein paar gute Zeichen überzuinterpretieren, damit du dir sagen kannst, dass sich alles scheinbar auf magische Weise von selbst ergibt. Wenn dich nicht bald ein Wahnsinn packt oder jemand Süßes dich beißt, wirst du immer in diesen gemütlichen Zimmern hinter den Tagen herumlungern und dich fragen, wann es soweit ist, dass....Ja, was eigentlich....

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