05 Oktober 2015

Bartók im Keller des Hotel Harakiri

http://www.hotelharakiri.de/4-etage/kellergang/

Sie befinden sich gerade im Keller des Hotels. Es ist Montag, der 5. Oktober Zwanzigfünfzehn. Ich bin Demien Bartók, ich stelle mich nicht gern vor. Ich führe gerade Wartungsarbeiten an dieser Maschine durch, die Sie hinter mir vielleicht sehen. Es ist eine Assoziationsmaschine, die diesen schwülen Dunst erzeugt, in dem Sie sich gerade befinden. Er wird immer dichter, aber bitte schauen Sie sich nicht um, ohne mich zu kennen, ich richte mich gerade erst ein.

Darf ich Euch das kleine Ihr anbieten?
Ihr könnt euch auch zu mir setzen...

Seht ihr wie ich versuche, freundschaftlich  zu sein, damit ihr es mit mir aushaltet? Ihr werdet nicht enttäuscht sein, ich mag es, wie ich hier herumstehe und darauf warte, bis mich jemand anspricht.

Ausgerechnet zum 25. Tag der Deutschen Einheit fängt meine Arbeit offiziell an. Der Direktor ist ein launiger Strauß, ich entdecke meine schüchterne, demütige Seite, wenn ich mit ihm koche.

Ich bin ein Plüschelefant in einem Porzellanladen, gefüllt mit Dynamit, aber keiner Schnur zum Anzünden, dafür mit Fernzünder, der aber nicht funktioniert, bis jemand kommt und ihn repariert, aber er kommt nicht und dort wo er jetzt ist, kann er ihn nicht reparieren. Ich wäre gern so lustig wie Herr Veith. Dieser drollige, kindliche Herr Veith! Er hat keine Probleme damit, wenn man das über ihn schreibt. Ich weiß nicht wie er grad beim Lesen schaut... Ha! Jetzt haben Sie mich erwischt, wie ich Sie persönlich anspreche. Was schreibe ich hier überhaupt?

Seit ich durch meine Arbeit hier wieder vermehrt unter Menschen muss, frage ich mich. inwieweit andere Menschen auf mich abfärben? Das ist die Frage, die kalt in der Ecke steht und den Kopf leicht neigt und guckt. Zusammenhangloses Assoziieren, das Freiwerden der Struktur, das ist also die Maschine, die Sie hinter mir sehen.
Willkommen bei Hotel Harakiri! Hier findet Metaphysik nicht nur auf dem Dach, sondern auch im Keller statt.

War das zu plump? Zu aufgesetzt? Ich möchte absolut unsicher in allem werden, davongleiten in einen schönen Garten, nicht schreiben und an einer Zukunft basteln. Warum Projekte machen, wenn man auch lesen (keine lineare Handlung, kein fester Stil, keine Richtung) und spazieren gehen kann (in keine Richtung, keine Handlung, kein Stil), mit seinen Freunden das ganze Leben lang Musik machen kann oder Leuten, die man nicht kennt, Texte vorlesen kann über eben diese Zwischenwelt, in der man höchstens eben dies tut.

Ich habe nur mich und jetzt zu geben. Ideal wäre ja, die Welt noch mit anderen Augen und Ohren wahrnehmen zu können: Grundlage jeder guten Beziehung. Inklammern: mir wäre ein Mensch wirklich genug.

Was bewirkt es, wenn ich weiter an dieser Maschine hier arbeite? Ich stelle gerade fest, wie furchtbar das ist, dass ich nie wissen kann, was Andere von mir erwarten, was sie befürchten. Ob sie mich nur dulden. 

Ich sitze endlich wieder daheim, hätte Schildi mich nicht vom Bahnhof abgeholt wäre ich nicht so schnell hier angekommen. Ein grüner Tee. Sehr intensiv, man entdeckt den Ästhet im Herzinneren. Man trägt hart an der Unfähigkeit, die Worte mit der Musik zusammenzubringen.

Im Zug fragt, als er den dicken Cioran-Band sieht, der Soldat gegenüber was das für ein Schinke is. Ich wäre gern in einer Wirklichkeit, in der ich schreibe, dass ich ihm eine fette, gelbliche Eloquenz reingewürgt habe.

"Cioran ist ein Kochbuch, ich lese dir etwas daraus vor. Deine Tage sind weiche, gemütliche Zimmer. Du bist ein kerniger Held, über den Bücher zu schreiben sich lohnen zu schreiben zu lohnen zu schrei-hehei-schreiben. Ich hab jetzt echt mal einen Wurfhammer!!! gemacht. Schüttelste mir die Hand? Na gut, jetzt aber ein richtiges Zitat von Tschoran.

Was mit der Außenwelt anfangen, wenn man sich nur noch mit sich selbst beschäftigen kann? An wen sich wenden, wenn man sich entdeckt und begriffen hat?   Ich bin völlig außer mir, seht ihr das? Ich begehe keine Karriere, ich leiste nichts, ich höre auf, zur Menschheit zu gehören, ich bin ein Aussätziger, weil ich nicht weitermache mit dem, was ich bisher getan habe. 

Wahrnehmung ist angenehm gefährlich instabil. Man könnte weitergelangen, wenn man das bisherige Zentrum verlässt und nicht mehr sagt: ich nehme wahr, sondern "da ist Wahrnehmung, dass". Nicht ich sehe den Apfel, sondern der Apfel ist da. Und es sind auch diese Finger hier da, und es sind bestimmte Gefühle und Gedanken da... Es gibt keine Innenwelt, alles ist Außenwelt. Auf diesen Wahnsinn haben sich auf metaphysische Entgrenzungen hoffend Augen und Gehirn und Bauch und Beine ausgerichtet. Damit kann man etwas machen. Es gibt Gründe, warum man bestimmte Dinge nicht tut. Wenn du einen Schritt zurückgehst, verändern sich die Gründe oder sie verschwinden.

Ich habe Lust, Aufgaben kaputt zu machen, seltsame Knoten in Missionen zu knüpfen, zu der mich niemand beauftragt hat. Alles was ich schreibe kommt aus diesem diffusen Herzschmerz. Ich möchte noch ein bisschen auf dieser Verliebtheitswelle gleiten, bevor alles zusammenbricht. Deshalb werde ich diese Dinge für mich behalten. 

Ich sollte lieber über die mittelmäßigen Sachen schreiben, um die Möglichkeiten  der richtig guten und schlechten Sachen nicht voreilig und völlig ohne Verve und Absicht zu verheizen und so zu verhindern, dass sie sich verfestigen, vertiefen, sich differenzieren können...

Schreiben bedeutet: Gedanken ersticken.

"Bloß nicht gleich alles aufschreiben", sagt der deplatzierte Schelm in der Mitte dieses Textes.

Wie furchtbar, meine Mitbewohner hören mich tippen und Chips benaschen, ... habe ich etwas von ihnen hier? Habe ich aus Versehen den guten Löffel von der Tante in meinem Nachtkaffee? Jemand scheint von unten zu klopfen. Diesen Worten kann es nichts anhaben, nur mir.

Gerade könnte ich über nichts schreiben als meinen Liebeskummer. Ich muss einfach hoffen, dass es gut ausgeht oder ich zumindest nicht _-_-_-_- und schon hab ich keine Lust mehr zu schreiben, vielleicht ist es besser du gehst.... (So einen schaurigen Satz habe ich noch nie ausgesprochen, oh ich bin so jung, Element Of Crime machen guten Studentenschlager, leider zu sehr verwässert von langweiligen Zwischenmenschlichkeiten. Haben wir nicht alle mittlerweile verstanden was Sven für ein Typ ist? Wem muss er sich noch beweisen? Sie hätten viel weniger in Erscheinung treten sollen und den rührseligen, schnoddrigen Romantikquatsch abkürzen sollen.
Niemand will mit dir kuscheln, Sven. Das wäre doch mal ein guter Titel für eine Platte. Mit einem schadenfrohen Ausrufezeichen dahinter. Aber vielleicht hat dieses Behaglichkeits-Gedudel für ein paar nette Leute ein paar beruhigende Berührungen übrig. Zu wünschen wäre es ihnen ... und uns allen. Ich würde gern in meinen Worten einschlafen, stattdessen muss ich es in meinem Körper tun.
- Ich denke an meinen Tod und das Wasser läuft mir im Mund zusammen.

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