15 Oktober 2015

Die Mausefalle

Allem überdrüssig, hänge ich Butandiol in den Garten der Abtrünnigen. 

Eingeklemmt in einer Welt, in der jeder in der näheren Umgebung sich eine Meinung von mir bildet, sich vorstellt wie es wäre mich zu küssen oder mit mir wenigstens irgendwo hinzugehen, werde ich entweder abgenickt oder abgeschüttelt. Ich möchte nichts mit den Bewegungen und Geräuschen zu tun haben, die meinem Körper einfallen. Das kann nur bedeuten, dass das ICH bestrebt ist, vom Körper und seinen Hintergründen loszukommen. Steigerung: in unseren Knochen wohnt ein Mörder und unser Musikgeschmack entscheidet, wen wir abschaffen: unseren Körper, unseren Geist, oder den Geist oder Körper eines Anderen. Sobald wir es uns in echter Arbeitslosigkeit, in echter Einsamkeit gemütlich gemacht hat, bleibt dem Ich nichts anderes übrig, als sich zu entblößen als das schwarze, klebrige, zersetzende Prinzip, welches in unserer Fülle waltet und sich, falls die Außenwelt von allen Gelegenheiten befreit ist, nur gegen sich selbst richten kann. Schreibend zeige ich mit meinem letzten Finger auf die Maschine, die mich vollständig verstümmeln wird.
Das ist der Anspruch, den ich meinem Delirium verordne: mein Leben muss mehr bedeuten als das Leben der Anderen, ich muss tiefer gelangen als sie, ich muss an den Untergrund, den Hintergrund, ins Kellergeschoss, ins Fundament des Lebens kommen, das ist der Anspruch, den ich meinem Delirium verordne: ich möchte zurückschauen und sagen: ich war nicht Sklave meiner Sprache, nicht Sklave meiner Möglichkeiten. Nur von meinen Träumen werde ich mich in Ketten legen, nur von meiner Liebe zum Kauderwelsch werde ich mich knechten, nur von meiner Heiterkeit zum Unsinn werde ich mich verurteilen lassen. Das ist die Hoffnung, die ich meinem Dahängen verordne. Gib mir etwas in die Hand und ich zerpflücke es dir, damit du mir mit großen, roten, neugierigen Augen in meine großen, blauen, neugierigen Augen schaust und vielleicht mich küsst aus meiner mitteldeutschen Starre. "Ein so ruhiges Gesicht muss doch etwas verbergen!", brüllen bunte Vögel von den schwarzen Bäumen unserer Langeweile - das ist die Hoffnung, die ich meinem Dahängen verordne.
Tausende Stimmen kommen zum Leuchten, während die Musik am sich zur Ruh' legenden Tag vorbeiregnet. Munter wird die Musik geohrfeigt, nein, sie ohrfeigt mich in greller, ausufernder Munterkeit. Es gibt ein strahlendes Zentrum meines Lebens. Wie sollte man auch in Vorwärtsbewegungen ein Zentrum finden? Wenn man Cannabis nicht steigert, tut man der Pflanze und dem eigenen Körper Unrecht. Ein graues, mitteleuropäisches Hakuna Matata. Es tat weh, als die Anderen flüchteten....
Die zentrale Frage der Woche: Wer ist man, wenn man übersensibel ist? Wer, wenn man zu empfindlich ist, um an einem konsistenten Ich sich zu klammern? Ich als Autor habe nun also die Aufgabe, meine Zügel loszulassen und aufzuhören, eine Persönlichkeit zu sein.
Manchmal ist ein schlechter Film gut geeignet, an ihm vorbeizudenken. Ihn benutzen, um sich zu verwirren zwischen dem, was man sieht und dem, was man sich denkt. Einübung in die ultimative Distanz. Ich liebe meinen Schlagwort-Müsli.
Theater soll den theatralischen Charakter des Daseins betonen, Musik den musikalischen, Sprache den geordneten, Angst den unberechenbaren Charakter des Daseins.
Wenn Zeit eine Illusion des Gehirns ist, kann man versuchen, das Gehirn derart umschalten, dass man jenseits ihres Hinabströmens in der Ewigkeit des Moments verharren kann, also dass wir mit unserem Gehirn bestimmte Areale des Gehirns abschalten, um in die Ewigkeit eines Moments zu kommen. Elegante Langsamkeit, elegante Nervosität, elegante Aussetzer.

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